Serbien, Turekovac, April 2023
„In diesem Jahr war es das dritte Mal“, sagt Kristina R. Sie fürchtet sich, allein zu Hause zu bleiben. Ihr Mann arbeitet tageweise als Reinigungskraft und Bauhelfer in Belgrad, der 250 Kilometer entfernten Hauptstadt Serbiens. Meist auch über Nacht. Auch Manuela, eine Nachbarin, ist den Tränen nahe. In den letzten fünf Jahren seien es zusammengefasst etwa 15 bis 20 Angriffe, erzählen sie und ihr Mann Martin.
Ihre Dorfgemeinschaft ist klein. Einige der Roma arbeiten für Serben in der Landwirtschaft. Es gibt keinen Streit, außer um die Höhe des Lohns, scherzt Martin. Die Angreifer kommen aus dem Nachbardorf. Man kennt sich eigentlich. Die Jugendlichen lernen den Rassismus der Erwachsenen schon von klein auf, meint Martin. Er selbst sieht, dass es früher Probleme in Roma-Communities gab. „Wir haben auch Fehler gemacht, die Schule nicht fertig gemacht. Wir waren jung, wollten heiraten und Geld verdienen. Wir haben nicht darüber nachgedacht.“ Jetzt sähen sie das anders. Die Kinder gehen zur Schule, selbst wenn sie dort negative Erfahrungen machen müssen. Die Eltern erklären ihnen, dass es keine Alternative gibt.
Ein Gespräch mit dem Bürgermeister der Kommune war für die angegriffenen Roma bisher nicht möglich. „Zum Bürgermeister dürfen nur wichtige Leute“, erklärt Martin. Manuela, seine Frau meint, dass sie davon träumen „frei zu sein. Wir müssen 10 bis 13 Stunden am Tag arbeiten. Das Leben ist nur arbeiten und schlafen. Und dann kannst du nicht schlafen, weil du Angst haben musst in der Nacht, dass dein Haus angezündet wird.“ Ihr Mann pflichtet ihr bei: „Wir wollen Respekt“, sagt Martin.
Die Angreifer werden nach ihrer Einschätzung eine Verwarnung erhalten. Die Romacommunity wünscht sich Security-Personal in der Schule und einen eigenen Spielplatz in ihrem Viertel. Sie versprechen sich davon mehr Sicherheit für ihre Kinder.
Serbischsprachige Berichterstattung: https://resetka.rs/mladici-sa-fantomkama-usred-noci-napali-rome-u-turekovcu-preplaseni-mestani-najavljuju-proteste-ispred-policije/
45 Min. / Dokumentarfilm / D 2018 / OF Deutsch (Englisch und Romanes mit deutschen Untertiteln)
Untertitel in Englisch und Französisch verfügbar
Vor dem Hintergrundthema der Ausgrenzung von Roma erzählt Allegra Schneider mit einem wechselndem Team von einer Familie, die die Bundesrepublik freiwillig verlassen musste. Im Zentrum des Films steht die generationenüberschattende Erfahrung des Gehen-Müssens und der Trennungen. Der Film zeigt eine Klasse mit ihrer Lehrerin, die das nicht akzeptieren und dem ehemaligen (Mit-)Schüler nachreisen.
Zijush ist 13 Jahre alt, als er Deutschland verlässt. Er muss mit den Eltern und seiner Schwester zurück in die mazedonische Hauptstadt Skopje. Seine Freunde und Freundinnen in Bremerhaven wollen das nicht akzeptieren. Weil Zijush in Mazedonien noch nicht wieder in die Schule geht, rufen sie ihn an – und holen ihn per Smartphone zurück in den Unterricht.
Der Film folgt Zijush nach Skopje. Begleitet seine Lehrerin, die ihren Schüler in der mazedonischen Hauptstadt besucht.
In Skopje wird Zijush angegriffen, weil er Roma ist. Hintergrund des Films ist die erzwungene Migration der Roma zwischen Nordwest- und Südosteuropa, das Ping-Pong mit Familien. Er zeigt die Erfahrung der Gehenden und auch diejenigen die verlassen werden.
VON Allegra Schneider + Selamet Prizreni + Dörthe Boxberg + Jean-Philipp Baeck + Bernd Mathis
MIT Christine Carstens / Rebal / Ali / Shengyül / Zijush ... und vielen mehr.
»Möglichst freiwillig« wurde nominiert für
Jury Deutschen Menschenrechts-Filmpreis 2018
Ouchy Film Awards
DOCfeed 2019 in Eindhoven
Official Selection Balkan Can Kino Edition 2019
Filmfest Bremen offizielle Auswahl / nominiert für den Bremer Preis
Wir sehen Gesprächsbedarf in Politik und Gesellschaft.
Wir möchten möglichst viele Menschen zu den Themen Ausgrenzung von Roma, Abschiebungen und Zwangsausreisen, dem Konstrukt der »sicheren Herkunftsstaaten« und Bleibeperspektive ins Gespräch bringen.
Gruppen, Initiativen und Arbeitskreisen, die zum Thema arbeiten, soll der Film ›Möglichst freiwillig‹ auch die Möglichkeit geben, selbst Unterstützung in der Öffentlichkeit zu gewinnen.
Das Filmteam und Protagonist/innen freuen sich über Einladungen für Veranstaltungen zum Film.
Wir können aufgrund langjähriger Recherchearbeit auch über den Film hinaus Infoveranstaltungen zum Konzept der »sicheren Herkunftsstaaten«, »Freiwillige« Ausreise, Abschiebung, Integration) und zur Situation von Roma in Serbien, Mazedonien und Kosovo anbieten. Die Vorträge basieren auf Statements von Betroffenen in kurzen Clips und Fotos.
Unsere kontinuierlich betriebenen Recherchen zeichnen ein signifikantes Bild: Nur wenige der abgeschobenen Roma sind heute an einem Ort »angekommen«, für die meisten ist Migration anstelle von Integration unfreiwilliger Teil ihrer Lebenspraxis – und ihrer Biografie. Ebenso lebt der engste Familienkreis nicht an einem Ort, sondern verteilt und zerissen in Europa. Ein Leben in einem aus der Zeit gefallenen Zwischenraum oder aus dem Raum gefallener Zeit. In Zeiten starker Integrationsbemühungen für Geflüchtete mit der Zuschreibung einer »Bleibeperspektive« ist andererseits die Verweigerung von Chancen und Integrationsmöglichkeiten an Menschen mit »geringer Bleibeperspektive« durch Abschiebungen ein blinder Fleck in der Migrationspolitik, deren Gesetzgebung die Verfolgungsgeschichte der Roma komplett ignoriert.